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Resilienz tut Not

In einer Welt, die sich ständig verändert und in der neue Herausforderungen unser Zusammenleben auf die Probe stellen, gewinnt ein Thema immer mehr an Bedeutung: Resilienz. Die Fähigkeit, Krisen nicht nur zu überstehen, sondern gestärkt aus ihnen hervorzugehen, ist heute wichtiger denn je. Jeder Einzelne von uns kann dazu beitragen, die Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen – durch bewusste Vorbereitung, verantwortungsvolles Handeln und gegenseitige Unterstützung. Dieser Artikel zeigt, wie Resilienz funktioniert, welche Pläne der Staat verfolgt und welche Rolle wir alle in der Sicherheit unseres Landes spielen können. Gemeinsam gestalten wir eine Zukunft, in der wir auf Herausforderungen vorbereitet sind und als Gemeinschaft stark bleiben.


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Definition von Resilienz

Resilienz bezeichnet im gesellschaftlichen Kontext die Fähigkeit eines Systems oder einer Gemeinschaft, Krisen und Störungen zu widerstehen bzw. sich an sie anzupassen, ohne dabei dauerhaft funktionsunfähig zu werden. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz definiert Resilienz als die „Fähigkeit von Systemen und Lebewesen, Ereignissen zu widerstehen bzw. sich daran anzupassen und dabei Funktionsfähigkeit zu erhalten“. Einfach ausgedrückt geht es darum, auch nach Tiefschlägen stabil zu bleiben und sogar aus Erfahrungen zu lernen. Die Sicherheitsexperten des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit bringen es auf den Punkt: „Sicherheit fängt vor der Haustür an“ – damit ist gemeint, dass auch die Widerstandsfähigkeit jedes Einzelnen zählt und die Bevölkerung aktiv mitwirken muss. Nur so kann eine Gesellschaft insgesamt widerstandsfähiger werden.

Aktuelle sicherheitspolitische Lage in Europa

Die sicherheitspolitische Lage in Europa ist seit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 deutlich angespannter und unübersichtlicher geworden. Dieser völkerrechtswidrige Überfall hat nach Auffassung des Bundesverteidigungsministeriums die Sicherheitsarchitektur erschüttert. Seither kehren NATO und EU zur Abschreckung zurück: Die NATO verstärkt ihre Verteidigung, und Deutschland hat sich als „zentrale Drehscheibe“ für Bündnislogistik etabliert – Transportwege nach Osten und Süden verlaufen fast alle über deutsches Gebiet. Auch die Bundeswehr spürt die „Zeitenwende“: Bis 2031 sollen die Verteidigungsausgaben und Truppen deutlich steigen, unter anderem durch ein Sondervermögen, um auf größere Bedrohungsszenarien vorbereitet zu sein. Gleichzeitig wächst die Besorgnis über neue Formen der Kriegsführung. Cyberangriffe gehören mittlerweile zum Tagesgeschäft: Die Bundeswehr selbst wehrt täglich tausende Angriffe ab und verzeichnete 2022 allein in zwei Monaten rund 280.000 Attacken auf ihre Systeme. Parallel setzen Staaten wie Russland und China auf hybride Taktiken, das heißt auf eine Mischung aus militärischen Manövern, Wirtschaftsdruck und gezielter Propaganda. Ihr Ziel ist es vor allem, Demokratien zu destabilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Auch eine mögliche Destabilisierung der Energieversorgung oder anderer Kritischer Infrastrukturen wird als akutes Risiko gesehen. All diese Entwicklungen verdeutlichen: Europa befindet sich in einem sicherheitspolitischen Umbruch, und zivile Strukturen müssen verstärkt auf solche Bedrohungen reagieren.

Vorsorgelage in Deutschland

In der deutschen Bevölkerung hat sich ein Bewusstsein für Krisenvorsorge zwar verstärkt, doch viele sind noch unzureichend vorbereitet. In Umfragen gab etwa eine Mehrheit an, im Falle eines längeren Stromausfalls Notvorräte anlegen zu wollen. Laut einer Forsa-Umfrage von 2022 hatten 38 % der Befragten Lebensmittel für den Notfall eingekauft. Zugleich zeigten Erhebungen im Frühjahr 2022, dass über zwei Drittel der Menschen in Deutschland keine Vorräte angelegt hatten und sich auch nicht systematisch vorbereitet fühlten. Die Bundesregierung und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) empfehlen hingegen, Hausvorräte für mindestens 72 Stunden, besser 10 Tage, vorzuhalten – inklusive Wasser, haltbarer Nahrung, Medikamenten, Batterien und wichtigen Dokumenten. Diese Vorräte sollen im Ernstfall eine Grundversorgung sichern, bis staatliche Hilfe einsetzt. Ein weiterer Aspekt ist die psychische Resilienz der Bevölkerung: Es ist wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger in Krisen ruhig bleiben, aufmerksam bleiben und Informationen vertrauenswürdiger Stellen folgen. Psychische Stabilität wird durch gute Vorbereitung, gegenseitige Unterstützung im Nachbarschaftsbereich und frühzeitige Aufklärung gefördert. BBK und andere Behörden veröffentlichen dazu Ratgeber und Checklisten, die sowohl zur Vorsorge als auch zum richtigen Verhalten in Notsituationen praktische Hinweise geben.

Staatliche Strukturen und Planungen

Digitale Warnsysteme

Der Staat baut sein Warnsystem kontinuierlich aus, um die Bevölkerung im Ernstfall schnell zu informieren. Neben den traditionellen Sirenen und Warnmeldungen im Rundfunk spielen inzwischen digitale Kanäle die größte Rolle. Bundesweit wird die Warn-App NINA (Notfall-Informations- und Nachrichten-App) eingesetzt, über die Wetterwarnungen, Hochwasser- und Katastrophenhinweise direkt aufs Handy geschickt werden. Seit Februar 2023 ergänzt das neue Cell-Broadcast-System die Warnmittel: Dabei werden Nachrichten simultan an alle Mobilgeräte in einem betroffenen Sendebereich geschickt. Laut BBK ist Cell Broadcast derzeit der Kanal mit der höchsten Reichweite, denn damit können mehr Menschen direkt erreicht werden als mit jeder anderen Warn-App. Beim jährlichen Probewarntag, zuletzt im September 2024, gab es bereits deutliche Erfolge: Rund 97 % der Befragten berichteten, eine Testwarnung erhalten zu haben – meist über ihre Warn-App, wobei NINA nach wie vor der meistgenutzte Kanal ist. Auch Sirenen und das neue System haben weiter an Reichweite gewonnen. Dieses Zusammenspiel aus analogen und digitalen Warnkanälen soll gewährleisten, dass möglichst viele Menschen – zu Hause, unterwegs oder am Arbeitsplatz – im Notfall zuverlässig informiert werden.

Notstromversorgung

Ein weiteres Planungsfeld ist die Sicherung der Energieversorgung für Krisenzeiten. Bund, Länder und Behörden wurden angehalten, Notstromaggregate vorzuhalten, die mindestens 72 Stunden autark laufen können. Diese Regel gilt insbesondere für Betreiber Kritischer Infrastrukturen, wie Krankenhäuser, Wasserwerke oder Telekommunikationsanbieter, die so bei einem Blackout kurzfristig weiter funktionieren können. Der Leitfaden des BBK empfiehlt, dass Kraftwerke, Behörden und Unternehmen über genügend Treibstoffvorräte verfügen, um drei Tage ohne externe Nachlieferung durchzuhalten. Parallel dazu wurden sogenannte „Netzhärtungs“-Maßnahmen beschlossen: Mobilfunk-Basisstationen und BOS-Digitalfunkstellen bekommen je nach Versorgungslage deutlich höhere Batteriereserven und Dieselvorräte, damit sie im Katastrophenfall mindestens 72 Stunden Kommunikationsfähigkeit garantieren. Insgesamt arbeiten Bund und Länder daran, die Versorgungssicherheit im Krisenfall zu stärken – durch Notfallpläne, technische Rückfallebenen und Übungen zur Koordination.

Militärische Logistik und Übungen

Auch die Bundeswehr trägt mit neuen Konzepten und Übungen zur Resilienz bei. Deutschland fungiert in NATO-Kontexten seit Jahren als wichtige „Host Nation“ für Bündnisverstärkungen: Wegen seiner zentralen geostrategischen Lage verlaufen nahezu alle Verstärkungs-Transportwege in Europa über deutsches Hoheitsgebiet. Die Bundeswehr und Zivilbehörden haben deshalb ein „Reinforcement and Sustainment Network“ aufgebaut (Teil des Operativplans Deutschland), das im Krisenfall bis zu 800.000 NATO-Soldaten samt Material in kürzester Frist aufnehmen und verlegen kann. Zudem simuliert die Bundeswehr regelmäßig Ernstfallszenarien in großen Übungen. Ein Beispiel ist „Quadriga 2024“, bei der 12.000 Soldaten auf deutschem Boden als Teil des NATO-Manövers „Steadfast Defender“ den Schutz der Ostflanke und das Zusammenwirken unterschiedlicher Truppenteile trainierten. Auch EU- und NATO-Manöver wie „Defender Europe“ oder Flugabwehr-Übungen („Resilient Guard“ 2020) dienen dazu, Technik, Logistik und Kommunikation unter Druck zu erproben. Im Bereich der Gesamtverteidigung, dem zusammenwirkenden Krisenmanagement von zivilen und militärischen Kräften, werden diese Übungen genutzt, um die Abläufe zwischen BBK, Bundeswehr, Ländern und Gemeinden zu optimieren.

Anforderungen an die Bevölkerung

Von der Bevölkerung wird zunehmend Eigenverantwortung erwartet. Jeder Haushalt sollte die grundlegenden Vorsorgemaßnahmen umsetzen: Dazu zählen lang haltbare Lebensmittel, Trinkwasser und Medikamente für mindestens 72 Stunden, Batterien, eine Taschenlampe, ein batteriebetriebenes Radio sowie Kopien wichtiger Dokumente. Wie die EU jüngst betonte, geht es darum, die ersten kritischen Tage eines Blackouts oder einer Krise selbstständig überbrücken zu können. Die Bundesregierung und das BBK stellen hierfür Checklisten zur Verfügung – etwa eine Liste für einen zehntägigen Notvorrat, der rund 2.200 Kilokalorien pro Tag abdeckt. Darüber hinaus sollten sich Bürgerinnen und Bürger mit Warnsignalen und Notfall-Apps vertraut machen (ggf. App NINA installieren) und die örtlichen Krisenstrukturen kennen. Im Ernstfall ist richtiges Verhalten entscheidend: Auf Anweisungen von Polizei und Behörden sowie Durchsagen in Funk und Fernsehen ist sofort zu reagieren. Panikmache sollte vermieden werden, stattdessen empfiehlt sich gegenseitige Hilfe in der Nachbarschaft – zum Beispiel Unterstützung älterer Menschen oder Betreuung von Kindern. Der Ratgeber „Katastrophenalarm“ des BBK fasst viele solcher Tipps zusammen und erklärt, wie man im Brandfall, Hochwasser oder bei Stromausfall richtig handelt. Insgesamt gilt: Gute Vorbereitung und besonnenes Verhalten in der Krise schützen nicht nur einen selbst, sondern auch die Gemeinschaft.

Mögliche Krisenszenarien für Deutschland

Denkbare Extremereignisse umfassen neben Naturkatastrophen vor allem menschengemachte Krisen. Cyberangriffe auf Energie-, Wasser- oder IT-Infrastrukturen gelten als reale Gefahr. So könnte ein großflächiger Hackerangriff etwa Kraftwerke, Krankenhäuser oder Banken lahmlegen. Die Bundeswehr warnt: Sie selbst wehrt nach eigenen Angaben täglich Tausende solcher Attacken ab. Desinformationskampagnen stellen ein weiteres Szenario dar – etwa gezielt gestreute Falschmeldungen oder manipulierte Bilder, um Panik zu verbreiten oder Wahlen zu beeinflussen. Laut Sicherheitsstrategie haben feindliche Akteure das Ziel, Gesellschaften zu destabilisieren; in Kombination mit Russlands Ukraine-Krieg wurde diese Gefahr nochmals verschärft. Schließlich sind Versorgungsausfälle durch lang anhaltende Störungen der Energie-, Wasser- oder Treibstofflieferung möglich – sei es durch Sabotage, extremen Wetterlagen oder Lieferengpässe. Die Bundesregierung sieht einseitige Abhängigkeiten, etwa bei Gas oder Seltenen Erden, als sicherheitspolitisches Risiko, das im Krisenfall die Versorgung schnell gefährden kann. Insgesamt zeichnen sich diese Szenarien durch Komplexität aus: Sie treten oft kombiniert und verstärkend auf, erfordern schnelle Reaktionen und umfangreiche Koordination aller Akteure.

Zivilgesellschaft und freiwillige Helfer

Eine tragende Säule der Resilienz sind freiwillige Helfer und Organisationen. Das Technische Hilfswerk (THW) ist hier ein Musterbeispiel: Rund 88.000 ehrenamtliche THW-Helferinnen und Helfer waren 2024 aktiv und leisteten fast 1,2 Millionen Stunden an Katastropheneinsätzen. Auch die Feuerwehren haben enorme Kapazitäten – bundesweit engagieren sich über 1 Million Menschen in freiwilligen Feuerwehr-Organisationen. Diese Kräfte rücken regelmäßig zu Hochwasser-, Sturm- und Unfall-Einsätzen aus und kooperieren eng mit Polizei und Rettungsdiensten. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und weitere Hilfsdienste stellen flächendeckend Sanitäts- und Betreuungsdienste. Nicht zu vergessen sind die Funkamateure: In Deutschland sind über 61.000 Menschen lizenziert, Funkbetrieb zu betreiben. Im Katastrophenfall sind diese Amateurfunker oft entscheidend, um die Kommunikation zu sichern, wenn Strom- und Datenverbindungen ausfallen. All diese zivilgesellschaftlichen Netzwerke ergänzen den Staatsschutz durch lokale Kenntnis, Flexibilität und zusätzliche Kapazitäten – sie sind ein wesentlicher Faktor für die Krisenfestigkeit unserer Gesellschaft.

Fazit

Resilienz ist eine Gemeinschaftsaufgabe: Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft müssen an einem Strang ziehen, um Krisen zu bewältigen. Die Bundesregierung hat mit Strategiepapieren, Infrastrukturausbau und Kooperationen wichtige Voraussetzungen geschaffen, doch ohne das Engagement jedes Einzelnen sind diese Maßnahmen allein nicht ausreichend. Wie Experten betonen, beginnt Sicherheit vor der eigenen Haustür. Das bedeutet: Durch individuelle Vorsorge und solidarisches Handeln – etwa Vorräte anlegen, Nachbarn helfen oder freiwillig mitarbeiten – trägt jede Person zum Gemeinwohl bei. Jede zusätzliche Stunde Unterstützung oder jeder private Notvorrat entlastet Polizei, Rettungsdienste und Bund. So entsteht ein gegenseitiges Netz: Je besser sich Individuen vorbereiten, desto besser kann die gesamte Gesellschaft Risiken auffangen und wieder zu Normalität zurückfinden. Ein gut geöltes Zusammenspiel aus gutem Katastrophenschutz und verantwortungsvollem Bürgersinn macht unsere Gesellschaft letztlich widerstandsfähiger.

  • Resilienz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – gemeinsam sind wir stärker.
  • Individuelle Vorsorge entlastet Rettungskräfte und schafft Sicherheit für alle.
  • Staatliche und zivile Strukturen müssen Hand in Hand arbeiten, um Krisen zu bewältigen.
  • Jeder kann mit bewusster Vorbereitung und solidarischem Verhalten aktiv beitragen.
  • Nur wer heute vorsorgt, bleibt morgen handlungsfähig und schützt seine Mitmenschen.

© Wilhelm Hombach CECM. Alle Rechte vorbehalten.
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