Eine wachsende Gefahr mit Tradition
So widersprüchlich es klingt: Starkregen und Dürre sind zwei Seiten derselben Medaille. Sie sind keine Gegensätze, sondern Brüder – geboren aus dem gleichen Mutterleib des Klimawandels. Während monatelange Trockenheit den Boden hart wie Stein macht, prasselt der Regen später in wenigen Stunden herab – zu viel, zu schnell. Der ausgedörrte Boden kann das Wasser nicht mehr aufnehmen, und so wird aus ersehnter Feuchte plötzlich zerstörerische Flut. Diese Brüder streiten nicht – sie spielen sich gegenseitig die Bälle zu. Erst rauben sie dem Land den Atem, dann nehmen sie ihm den Halt. Wer das versteht, erkennt: Der kluge Mensch bereitet sich auf beides vor – mit Demut, Wissen und Weitblick.
In den letzten Jahren hat sich das Phänomen, das früher als Ausnahme galt, zunehmend als Regel manifestiert: Starkregenereignisse mit teils verheerenden Überflutungen. Deutschland, ein Land mit einer langen Geschichte im Umgang mit Wasser – sei es durch Deiche, Kanäle oder Drainagesysteme – steht vor neuen Herausforderungen. Die Wahrscheinlichkeit solcher Wetterextreme nimmt spürbar zu.
Was ist Starkregen?
Starkregen bezeichnet intensive Regenfälle, die in kurzer Zeit sehr große Niederschlagsmengen bringen. Laut Definition des Deutschen Wetterdienstes (DWD) spricht man von Starkregen der Stufe 1 bei mehr als 15 Litern pro Quadratmeter in einer Stunde, und von Stufe 2 ab 25 Litern. Diese Wassermassen überfordern selbst moderne Kanalisationen und führen besonders in urbanen Gebieten schnell zu Überflutungen.
Warum nimmt Starkregen zu?
Klimaforscher sind sich weitgehend einig: Der Klimawandel spielt eine zentrale Rolle. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern – etwa sieben Prozent mehr pro Grad Celsius Erwärmung. Diese zusätzliche Feuchtigkeit entlädt sich in Form intensiverer und häufigerer Starkregen. Die Erwärmung führt auch zu Veränderungen in den atmosphärischen Strömungen, was Wetterlagen stabilisiert – ein Regengebiet bleibt dann länger an einem Ort hängen und entlädt sich dort stärker.
Regionale Unterschiede in Deutschland
Besonders gefährdet sind Süd- und Westdeutschland. Die Mittelgebirge wie Eifel, Hunsrück oder das Erzgebirge wirken wie "Regenfänger", da feuchte Luftmassen zum Aufsteigen gezwungen werden und dort abregnen. Aber auch flachere Regionen wie das Münsterland oder Städte wie Berlin und Hamburg sind nicht gefeit – hier spielt die dichte Bebauung eine entscheidende Rolle, da sie die Versickerung erschwert.
Historische Beispiele: Ein Rückblick mit Mahnung
Bereits die Vergangenheit mahnt zur Vorsicht. Das Elbehochwasser 2002, die Fluten im Juni 2013 oder – besonders dramatisch – die Katastrophe im Ahrtal 2021 haben gezeigt, wie zerstörerisch Starkregenereignisse in Verbindung mit topografischen und infrastrukturellen Schwächen sein können. Diese Ereignisse haben viele Menschenleben gefordert und Schäden in Milliardenhöhe verursacht.
Vorsorge und Anpassung
Starkregen ist kein neues Phänomen, doch seine Häufung ist es. Deshalb muss Deutschland auf alte Tugenden zurückgreifen: vorausschauende Planung, technische Raffinesse und gemeinschaftlichen Zusammenhalt.
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Technisch: Rückhaltebecken, durchlässige Beläge, dezentrale Regenwassernutzung und bessere Frühwarnsysteme.
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Politisch: Anpassung von Bebauungsplänen, Schutz von Auenlandschaften und stärkere Berücksichtigung hydrologischer Risiken.
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Individuell: Eigenvorsorge durch Versicherungsschutz, Rückstauklappen im Keller oder wassersichere Bauweise.
Individuelle Vorsorge und Verhalten
Bei Starkregen und Überflutung zählt vor allem eines: richtiges Verhalten rettet Leben – dein eigenes und das deiner Mitmenschen. Die Natur zeigt in solchen Momenten ihre ganze Kraft, und wer vorbereitet ist und umsichtig handelt, kann viel Schaden vermeiden. Hier ein traditionell bewährter und praxisorientierter Leitfaden für das Verhalten vor, während und nach Starkregenereignissen in Deutschland:
Vor dem Ereignis: Vorsorge ist Pflicht
1. Wetterlage im Blick behalten
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Informiere dich regelmäßig über Warnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD), z. B. per App oder Warnwetterdienst.
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Achte besonders auf Unwetterwarnungen vor Starkregen und Sturzfluten.
2. Haus und Grundstück sichern
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Halte Abflüsse, Gullys und Dachrinnen frei von Laub und Schmutz.
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Installiere Rückstauklappen im Keller, besonders bei tiefliegenden Häusern.
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Lagere Wertgegenstände, Elektronik und wichtige Unterlagen nicht im Keller oder bodennah.
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Prüfe Versicherungen: Elementarschadenversicherung kann Gold wert sein.
3. Notfallausrüstung vorbereiten
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Halte eine kleine Notfallausrüstung bereit: Gummistiefel, Taschenlampe, Batterieradio, Trinkwasser, haltbare Lebensmittel, Medikamente, wichtige Dokumente.
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Stromlose Tauchpumpe und Sandsäcke können entscheidend sein.
Während des Ereignisses: Ruhe bewahren – richtig handeln
1. Keller und Tiefgaragen meiden
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Gehe nicht in überflutete Kellerräume – Stromschlaggefahr!
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Auch Parkgaragen können zu Todesfallen werden – Fahrzeuge stehen lassen.
2. Strom abschalten
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Bei eindringendem Wasser: Strom im betroffenen Gebäudeteil abschalten – aber nur, wenn gefahrlos möglich.
3. Auf höher gelegene Räume oder Etagen gehen
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Wenn möglich, ziehe dich in höhere Stockwerke zurück.
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Schließe Türen und dichte sie mit Handtüchern ab, um das Eindringen von Wasser zu verlangsamen.
4. Fahrzeuge meiden
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Fahre niemals durch überflutete Straßen – schon 15 cm Wasser können ein Fahrzeug unkontrollierbar machen.
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Meide Unterführungen – sie werden schnell zu Todesfallen.
5. Rettungskräfte nicht behindern
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Meide betroffene Gebiete, beobachte aus sicherer Entfernung und folge Anweisungen von Polizei und Feuerwehr.
Nach dem Ereignis: Sicherheit vor Aufräumen
1. Gefahren erkennen
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Betrete überflutete Räume nur, wenn die Stromversorgung sicher abgeschaltet ist.
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Prüfe Böden, Wände und Treppen auf Stabilität – Einsturzgefahr!
2. Schäden dokumentieren
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Fotografiere Schäden für die Versicherung.
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Nimm keine übereilten Sanierungsmaßnahmen vor, ohne die Lage fachlich einschätzen zu lassen.
3. Hygiene beachten
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Überflutetes Wasser ist oft kontaminiert. Trage Schutzkleidung, wasche Hände gründlich.
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Trinkwasser aus dem Hahn sollte geprüft werden, vor allem bei Eigenversorgung (Brunnen).
4. Nachbarschaftshilfe
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Biete Hilfe an, wo du kannst – und nimm sie an, wo du sie brauchst. Solidarität ist gerade in solchen Momenten Gold wert.
Fazit: Mit Umsicht handeln – wie es früher immer galt
Starkregen und Überflutungen sind längst kein Ausnahmefall mehr – sie sind Teil der neuen Realität in Deutschland. Doch wie unsere Vorfahren mit Dämmen, Schleusen und kluger Wasserwirtschaft große Herausforderungen gemeistert haben, so kann auch heute mit Besonnenheit, Technik und Tradition der Gefahr begegnet werden. Der Blick zurück mahnt zur Vorsicht – aber auch zum Handeln.
Starkregen und Hochwasser verlangen keine Heldentaten, sondern klare, überlegte Schritte. Wer vorbereitet ist, handelt nicht aus Panik, sondern aus Gewohnheit – wie es die Alten taten, die den Flusslauf beobachteten, wenn der Regen kam. Tradition trifft auf moderne Vorsorge – eine starke Kombination für unsere Sicherheit.
Denn wer auf festem Grund steht, den bringt selbst die härteste Flut nicht ins Wanken.
Idee, Konzept und Ausführung: Wilhelm Hombach, CECM